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Lampredi-Motor Folge 2
Die Evolution

Da der Lampredi-Motor ursprünglich für die 124er-Serie von Fiat entwickelt wurde möchte ich mich zuerst mit dieser und den nachfolgenden Fiat-Modell-Reihen beschäftigen. Der Fiat 124 erschien im April 1966 in Form einer viertürigen Limousine. Er erhielt die erste Ausführung des neuen Motors mit seitlicher Nockenwelle und 1197 cm3, welcher 60 PS leistete. Der Einsatz des Doppelnockenwellenmotors begann im Herbst 1966, als Fiat den 124 Spider auf dem Turiner Autosalon vorstellte. Im Frühjahr 1967 wurde dann das technikgleiche Coupé eingeführt. Stammte der Entwurf für den Spider von Pininfarina, so waren für die Form des Coupés Vater und Sohn Felice und Gian Boano verantwortlich. Felice war Designer bei Ghia, 1958 ging er zu Fiat und gründete das Centro Stile. Am Anfang war der Doppel-Nockenweller den beiden Sport-Versionen vorbehalten. Ab 1971 gab es ihn dann auch in der Sportlimousine 124 Special T, bis 1973 als 1438 cm3 - 80 PS und von 1973 bis 74 als 1592 cm3 - 95 PS. Die verschiedenen Ausführungen des 124er hatten ein langes Leben. Die Produktion der Limousine wurde 1974 eingestellt, überlebte als Lada aber bis Mitte der Neunziger Jahre. Der letzte von ca. 198 000 gebauten Spider rollte als Pinifarina Spidereuropa am 30. Juli 1985 direkt vom Band ins Pininfarina Werksmuseum. Auf die in 490 Exemplaren gebaute Volumex-Version werde ich im dritten Teil, welcher die verschiedenen Lancia-Modelle behandelt, näher eingehen. In den Kleinanzeigenseiten der Oldtimer-Magazine tummeln sich heute noch jede Menge Spider, nach einem guterhaltenen Exemplar des 1975 nach ca. 279 000 eingestellten und in drei Serien gebauten Coupés muß man heute schon länger suchen. Eigentlich schade um den attraktiven sportlichen Viersitzer.

War der 124er in der unteren Mittelklasse angesiedelt so bekam er 1967 einen fast gleich gestylten großen Bruder in Form des 125 zur Seite gestellt. Dieser erhielt von Anfang an den Zweinockenwellen-Motor als 1608cm3 - 90 PS mit einem Vergaser und als 125S mit Doppelvergaser und 100 PS - zu einer Zeit als in der Mittelklasse 75 PS das Maß aller Dinge bedeuteten. Der 125 wurde 6 Jahre gebaut, überlebte aber als Polski-Fiat bis 1988. Das negative Image der osteuropäischen Versionen Lada und Polski-Fiat verhinderte bis heute die Karriere der 124/125er Limousinen als Klassiker, sie sind fast völlig verschwunden. Im Jahre 1973 erschien dann der Nachfolger des 125 in Form des Fiat 132. War beim Erscheinen des 125 die Motorpresse voll des Lobes, so mußte sich der 132 herbe Kritik gefallen lassen. Die Form wirkte unausgewogen, der sportliche Lampredi Motor, welcher zuerst in zwei Versionen als 1600er mit 98 PS und als 1800er mit 105 PS angeboten wurde, passte nicht zum komfortablen, weichen Fahrwerk. Da die Konkurrenz inzwischen leistungsmäßig nachgezogen hatte, gab es dann ab 1975 eine Zweiliterversion mit 112 PS. Anfang der achziger Jahre war dies für eine Zweiliter-Limousine dann doch wieder zu wenig, und so erhielt der 132 in den letzten beiden Produktionsjahren noch eine Einspritzversion mit 122 PS. Diese Maßnahme sollte auch den inzwischen unzeitgemäß hohen Benzinverbrauch reduzieren.1983 wurde der 132 facegeliftet und erhielt den Namen Argenta. Wie vom Fiat Spider gab es auch vom Argenta eine Volumex-Version, welche aber nur in Italien angeboten wurde. Da inzwischen jeder Hersteller in der Mittelklasse eine Dieselversion anbot, blieb auch der Argenta davon nicht ausgenommen. Im Jahre 1985, von der Konzeption inzwischen 12 Jahre alt, erhielt die 132/Argenta-Baureihe dann einen modernen Nachfolger mit Frontantrieb in Form des Croma, jenem Modell welches im Fiat-Konzern die Plattform-Bauweise einführte. Um Entwicklungs- und Produktionskosten zu senken wurden Lancia Thema, Alfa 164 und Saab 9000 auf der gleichen Bodengruppe aufgebaut. Die Karriere des Lampredi-Doppelnockenwellen-Motors war jedoch noch lange nicht am Ende.

Die Lücke in der unteren Mittelklasse die mit Einstellung der 124er-Limousine entstanden war, füllte ab 1974 der 131 Mirafiori (benannt nach seinem Produktionsort) aus. Die unteren Leistungsklassen hatten bis 1977 den Motor mit seitlicher Nockenwelle, bald gab es aber wieder Sport (1585 cm3 /95 PS) und Super Sport (1995 cm3 /115 PS) - Versionen mit Lampredi-Motor. Basis für viele Tuner um auf den internationalen Renn- und Rallyepisten erfolgreich mitzumischen. Mit der 1977 erfolgten Einstellung der Produktion des Spiders für den europäischen Markt, fehlte dem Fiat-Konzern das Basisauto für den Rallye-Einsatz und so wurde die Abarth-Ausführung des 131 als Nachfolger auserkoren. Keine schlechte Wahl, wie die 1977, 1978 und 1980 eingefahrenen Rallye-Weltmeistertitel beweisen. Auf die Abarth-Versionen wird im vierten Teil näher eingegangen, wenn es um die Sport-Karriere des Lampredi-Motors geht. Das Nachfolgemodell des 131, Regata genannt, erreichte mit seiner langweiligen Form und ohne imagefördernde Sportmodelle nie die Popularität des Vorgängers, hatte aber Anfangs immer noch den Doppelnockenwellen-Motor mit 1585 cm3 und Zentraleinspritzung.

Ein weiteres Einsatzfeld des Motors in seiner ursprünglichen Form waren die Sport-Versionen des Ritmo. Das 1979 als Golf-Konkurrent eingeführte Modell litt unter seinem sich als völlig unitalienisch verhaltenden neuen Motors. Dieser Ruf verhallte 1982 schlagartig mit der Einpflanzung der Doppel-Nockenweller. Als 105TC und 130TC Abarth wurden echte GTI-Killer auf die Straßen entlassen. Wer die Preisentwicklung bei Modellen mit dem Scorpion beobachtet, ist nicht schlecht beraten, sich einen Ritmo-Abarth, den es zur Zeit nach etwas Suche, noch für kleines Geld zu haben gibt, an Land zu ziehen. Von 0 auf 100 in 8 Sekunden ist auch heute kein schlechter Wert.

Seinen zweiten Frühling erlebte der Lampredi-Motor ab 1985 als Hochleistungs-Komfort-Motor in den Modellen der oberen Mittelklasse des Fiat-Konzerns im Fiat Croma und Lancia Thema. Genauso wie Opel in Deutschland (mit Kapitän, Admiral, Diplomat und Senator) hatte Fiat schon immer Probleme, Modelle der gehobenen Klasse am Markt zu etablieren. Die Opel KAD-Reihe der letzten Serie oder der Fiat 130 (mit einem von Lampredi konstruierten V6-Motor) waren sicher ganz ausgezeichnete Fahrzeuge, doch es fehlte einfach das Image eines Mercedes, BMW oder Jaguar). Mit dem 1985 vorgestellten, von Giugiaro gezeichneten Croma startete Fiat einen erneuten Angriff auf BMW 5er und Co., verschaffte sich mit dem Lancia Thema dabei aber zugleich Konkurrenz aus eigenem Hause. Bei den Motoren verzichtete man auf Neukonstruktionen und überarbeitete die Lampredi-Motoren. Das aufdringliche Brummen der Maschinen im am meisten benutzten Drehzahlbereich von rund 3500/min war eines Fahrzeugs der gehobenen Klasse nicht mehr würdig. Genau wie Mitsubishi und Porsche beim 944er besann man sich auf die von Lanchester im Jahre 1906 entwickelte Idee der gegenläufigen Ausgleichswellen. Um einen vibrationsfreien Lauf zu gewährleisten (BMW bot immerhin einen Sechszylinder in der 2-Liter-Klasse) versah man den inzwischen fast 20 Jahre alten Motor mit dieser Technik. Es war zugleich die erste tiefgreifende Änderung am Lampredi-Block. Als Einbaulage für die beiden mit doppelter Motordrehzahl rotierenden Ausgleichswellen wählte man zwei Positionen: eine unten im Block, knapp oberhalb der Kurbelwelle, die andere auf der Gegenseite etwas unterhalb der Blockoberkante. Das Ergebnis überzeugte mit kultiviertem, vibrationsfreiem Lauf. Die Leistung blieb mit 120 PS vergleichsweise bescheiden, wer mehr wollte erhielt mit 155 PS im Croma Turbo nicht nur die bisher schnellste sondern auch kultivierteste Limousine von Fiat. Der Croma blieb ohne Nachfolger, denn die Rolle der gehobenen Klasse spielen im Fiat-Konzern heute Alfa Romeo und Lancia.

Das letzte Einsatzgebiet in Fiat-Modellen erlebte der Lampredi-Motor in den 1989 vorgestellten Modellen Tipo und Tempra. Neben den 1400er und 1600er-Standard-Versionen mit einer Nockenwelle, wurden im 1800er und im 2000er der Doppelnockenwellen-Motor eingesetzt. Beim 2000er mit dem für Lancia Delta und Thema entwickelten 16-Ventil-Zylinderkopf. Und beim Thema Lancia bin ich auch schon am Ende des zweiten Teils, denn mit den Lampredi-Motoren in den verschiedenen Lancia-Modellen wird sich der dritte Teil der Serie befassen. Erwähnenswert wäre noch, daß Motor und Antrieb des Fiat Spiders von 1981 bis 1986 im Vierzylinder-Morgan eingebaut wurden.

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